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    VDI-Richtlinie 6202-3 - Schadstoffbelastete bauliche und technische Anlagen, Asbest – Erkundung und Bewertung

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Organische Schadstoffe in der Bausubstanz

 

Foto Organische-Schadstoffe-in-der-Bausubstanz


Einleitung /Problem /Auftrag
Vorgeschichte des Gebäudes/Geländes
Durchführung
Ergebnisse
Konsequenzen
Fazit

Dieser Artikel mit Foto wurde uns freundlicherweise von unserem Mitgliedsinstitut ALAB GmbH - Analyselabor in Berlin zur Verfügung gestellt, er wurde im Oktober 1999 veröffentlicht.


Zusammenfassung

Drei Jahre nach dem Umbau eines früher u.a. von einer Kosmetikfirma genutzten Altbaukomplexes roch es in den teils als Büros genutzten Räumen immer stärker nach Mottenkugeln. Als Ursache konnte nach entsprechenden Untersuchungen eine mit Flüssigteer vergossene Teerpappe in den Zwischendecken identifiziert werden. Während der aufwendigen Sanierung war der gesamte Komplex nur eingeschränkt nutzbar, etliche Firmen kündigten und suchten sich andere Räume.

Einleitung /Problem /Auftrag

Drei Jahre nach Abschluß der Umbau- und Sanierungsmaßnahmen in einem Gebäudekomplex des Gründerinnenzentrums der WeiberWirtschaft e.G., in dem bis 1990 Chemieprodukte produziert wurden, treten intensive Geruchsbelästigungen auf. Im Juni 1998 wurde die ALAB GmbH beauftragt, in den etwa 40 betroffenen Räumen Raumluftmessungen durchzuführen. Das Ergebnis waren zum Teil erhebliche Konzentrationen an Naphthalin. Neben diesem intensiv (nach Mottenkugeln) riechenden Stoff wurden in der Luft aromatische Kohlenwasserstoffe, Alkan-Kohlenwasserstoffe, Terpene, Glykolverbindungen, Ketone und Alkohole quantitativ bestimmt. Die meisten der neben Naphthalin ermittelten Substanzen mit erhöhten Konzentrationen konnten durch die aktuelle Nutzung der Räume erklärt werden. Als Komponenten der auftretenden Geruchsbelastungen blieben die Substanzen Naphthalin, Ethylhexanol, Heptanon und Butanol, deren Quelle zu ergründen war.

Vorgeschichte des Gebäudes/Geländes

Das Gründerinnenzentrum der WeiberWirtschaft e.G. befindet sich in einem vier- und fünfgeschossigen Gebäudekomplex in Berlin - Mitte. Im Vorderhaus und im Seitenflügel befanden sich immer, soweit nachvollziehbar, die Verwaltungsräume; die Produktionsstätten und Lagerräume waren in Räumen um den 2. Hof untergebracht, weitere Lagerräume und eine Werkstatt befanden sich in angrenzenden eingeschossigen Nebengebäuden.

Die von den Naphthalinemissionen betroffenen Gebäude im Hofbereich wurden um 1900 errichtet und wurden bis 1990 für die Produktion von Chemieprodukten genutzt. Nach 1945 befand sich wahrscheinlich ein Lager der Roten Armee in den Gebäuden. Ab 1949 produzierte hier der VEB Berlin Chemie, später bis 1990 der VEB Berlin Kosmetik.

1992 wurde die WeiberWirtschaft e.G. Eigentümerin durch Kauf von der Treuhand. Für die Freistellung durch das Land Berlin wurden die Keller, der Boden im Außenbereich und auch das Grundwasser (ein Beobachtungsbrunnen wurde gebohrt) untersucht und die ermittelten Altlasten saniert. Untersuchungen der Bausubstanz auf Schadstoffe wurden nicht vorgenommen.

Die Hofgebäude wurden von 1993 - 1996 umgebaut und saniert. In den ehemaligen Produktionsräumen wurden die Fliesen und in den meisten Bereichen ein Teil des Estrichs entfernt. Es wurde auf eine Polyethylenfolie ein neuer Estrich gegossen; die meisten Räume wurden von den Mieterinnen mit Teppichboden oder Linoleum ausgelegt (verklebt).

Durchführung

Der Verdacht, daß die in der Luft ermittelten Schadstoffe aus der Bausubstanz, vor allem den Fußböden ausgasen, wurde durch eine Bohrung bis in die tragenden Teile der Zwischendecke und die schichtenweise Untersuchung schnell bestätigt. Der Bodenaufbau (von oben nach unten): Estrich - PE-Folie - Estrich - Teerpappe - Zwischenschicht - Stoltediele ist typisch für die Bereiche, in denen Naphthalin in der Luft nachweisbar ist. Die Untersuchungen ergaben in der Teerpappe hohe Gehalte an Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen mit einem Anteil von etwa 320 mg/kg Naphthalin.

In den betroffenen Etagen 1 - 4 in den Hofgebäuden wird je 30 m² ein Bohrkern aus dem Boden entnommen. Die Böden der Parterre-Räume wurden nicht untersucht, weil sie im Rahmen der Sanierung neu eingezogen worden waren oder keine Hinweise auf eine Schadstoffbelastung aus den Luftuntersuchungen vorlagen. Im Dachbereich wurde eine Bohrung vorgenommen - hier befindet sich keine Teerpappe im Estrich und die Luftmessungen ergaben nur geringste Naphthalinkonzentrationen. Die einzelnen Horizonte der Böden (Estrich oberhalb der Polyethylenfolie, Estrich zwischen PE-Folie und Teerpappe) wurden getrennt untersucht. In jedem Raum wurde eine Probe aus der Wand entnommen (Mischprobe aus drei Einzelproben), um auch diese mögliche Quelle für die Luftbelastung zu erfassen.

Ergebnisse

  • Die Belastung der Raumluft mit Naphthalin geht mit größter Wahrscheinlichkeit auf die in den meisten untersuchten Bereichen in den Zwischendecken eingebrachten mit Flüssigteer vergossenen Teerpappen zurück. Sie liegt in der Regel zwischen der tragenden Deckenkonstruktion und dem darüber befindlichern Deckenaufbau. Dieses Material hat einen intensiven Eigengeruch unter anderem nach Naphthalin. Solche Abdichtungen und Verklebungen sind seit den 20-iger Jahren bis in die 60-er Jahre in Industriebauten häufig eingesetzt worden.

  • An den Punkten, an denen die Teerschicht gefunden wurde, ist der Geruchseindruck der Materialproben nach Naphthalin fast durchgehend klar nachzuweisen. Die höchsten Naphthalingehalte in den Böden befinden sich in der Estrichschicht oberhalb der Teerpappe, unterhalb der Polyethylenfolie.

  • In allen Bereichen, in denen im Boden Teerpappe war, ist in der Raumluft Naphthalin nachgewiesen worden. Die Luftkonzentrationen korrellieren nicht immer mit den im Boden gefundenen Konzentrationen an Naphthalin. Die unterschiedliche Zusammensetzung und Dicke der Teerschicht, aber auch die Dichtigkeit des oberen Estrichs und der PE-Folie können dafür verantwortlich sein.

  • Die Wandproben enthalten höchstens Spuren von Naphthalin im Bereich der Bestimmungsgrenze.

  • Die Kontamination der Böden mit Ethylhexanol, Heptanon und Butanol ist örtlich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Vor allem in Räumen mit besonders starkem Geruch sind hohe Ethylhexanolwerte vorhanden. Diese Stoffe stammen wahrscheinlich aus der Kosmetikproduktion, können aber auch aus anderen Stoffen (Fette, Öle) durch Abbaureaktionen in der alkalischen Umgebung entstanden sein. In Räumen mit verklebtem Teppichboden ist ein Eintrag von Ethylhexanol aus den Teppich-Dispersionsklebern in die neue Estrichschicht möglich.

Konsequenzen

Nach Überprüfung mehrerer Varianten, die von der Kaschierung der Emissionen mit Folien über eine Überschichtung des Estrichs mit Aktivkohle bis zur weitgehenden Entfernung der kontaminierten Böden/Decken reichte, wurde beschlossen, den Estrich mit der Teerpappe und den Bereich darunter bis zur tragenden Schicht (meist den Stoltedielen) zu entfernen. Von dieser Totalsanierung sind direkt etwa 2400 m² betroffen. Während der Sanierung wird allerdings der gesamte Hofbereich nur eingeschränkt nutzbar sein.

Die Mieterinnen konnten zum Teil in Räume in anderen, nicht kontaminierten Bereichen des Gewerbehofs umziehen, etliche Firmen sind ganz ausgezogen.

Die Sanierungskosten betragen mehrere Millionen Mark, von denen nach langwierigen Verhandlungen der Berliner Senat den größten Teil übernehmen wird.

Fazit

Die Sanierung von Altbauten, insbesondere der Umbau von ehemaligen Produktionsstätten, ist mit einem erhöhten Risiko durch Altlasten in der Bausubstanz verbunden. Vor allem wenn die Räume anschließend als Büros oder Wohnungen genutzt werden sollen, können nicht erkannte Schadstoffe zu einem kostspieligen Problem werden.

Wie das Fallbeispiel zeigt, hätte eine Bohrung an der richtigen Stelle vor/oder während der Sanierung den Boden-/Deckenaufbau geklärt und auf das Schadstoffproblem aufmerksam gemacht. Dann wäre zwar eine umfangreichere Sanierung nötig gewesen, aber insgesamt wären die Kosten deutlich geringer geworden. In der Praxis ist es allerdings in den meisten Fällen nötig, mit einer rasterartigen Verteilung der Probenahmepunkte die kontaminierten Bereich auf einer Verdachtsfläche zu finden.

Bei jedem Verdacht auf Schadstoffe in der Bausubstanz, die durch die Vornutzung deponiert sein können oder wenn während der Bauarbeiten Gerüche auftreten, sollten Experten für Innenraum-Schadstoffe hinzugezogen werden und durch geeignete Schadstoffmessungen in der Luft und/oder in Materialproben die Art und die Quelle der Schadstoffe ermittelt werden.

© AGÖF / Verfasser: ALAB GmbH - Analyselabor in Berlin / Internet: www.alab-berlin.de
Stand: Oktober 1999