• Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute - AGÖF

    Stellungnahme der AGÖF zur Richtlinie VDI 6202-3 - Asbest

    VDI-Richtlinie 6202-3 - Schadstoffbelastete bauliche und technische Anlagen, Asbest – Erkundung und Bewertung

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    Veröffentlicht: endgültige Version des AGÖF-Leitfadens

    Hausstaubuntersuchungen auf chemische Parameter" (SVOC, Schwermetalle, POM)

AGÖF - das Innenraumkompetenzzentrum

Übersichtstabelle Substanzen und Substanzgruppen chemischer Innenraumschadstoffe


Diese Übersichtstabelle wurde uns freundlicherweise von unserem Mitgliedsinstitut AnBUS in Fürth zur Verfügung gestellt, Autoren: Jörg Thumulla und Martin Pritsch


Einführung

Da sich Menschen in unseren Breitengraden zu mehr als 90% ihrer Zeit in Innenräumen aufhalten, können sich Innenraumluftbelastungen besonders gravierend auf ihre Gesundheit auswirken. In den letzten Jahrzehnten kamen immer mehr Bau-, Heimwerker- sowie Haushaltsprodukte wie Montageschäume, Holzschutzmittel oder Insektensprays in privaten Wohnbereichen zum Einsatz. Gleichzeitig wird aus Gründen der Energieeinsparung immer luftdichter gebaut. Ein unkontrollierter Luftaustausch mit großen Energieverlusten findet kaum mehr statt. Die Kehrseite der Medaille: durch mangelnde Lüftung können sich Schadstoffe nun in der Innenraumluft anreichern. Schadstoffanreicherungen lassen sich zwar durch regelmäßiges Lüften reduzieren, sind jedoch Quellen im Innenraum vorhanden, werden die Ursachen durch diese Maßnahmen nicht beseitigt.

Gesundheitliche Gefährdungen können in Innenräumen von chemischen und biogenen Noxen ausgehen, bei denen vor allem die toxischen Langzeiteffekte und allergisierende Wirkungen im Vordergrund der Betrachtung stehen. Der Begriff Sick-Building-Syndrome (SBS) hat sich für die Kombination der am häufigsten genannten Beschwerden von Nutzern belasteter Gebäude eingebürgert. Die Beschwerden gehören zu folgenden Kategorien: Reizung von Augen, Nase oder Rachen, Hautreizungen, neurotoxische Symptome, unspezifische Überempfindlichkeit und Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen.

Auch Geruchsimmissionen können mitunter das Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Neben Belästigungswirkungen treten auch somatische und psychosomatische Symptome wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Appetitverlust, Konzentrationsschwäche und Benommenheit auf. Dennoch muss bisher davon ausgegangen werden, dass eine direkte Gesundheitsschädlichkeit von Gerüchen nicht nachweisbar ist. Vielmehr liegt die Wirkung von Gerüchen im Belästigungsbereich und ist im Vorfeld der Krankheit anzusiedeln. Nach WHO-Definition ist jedoch auch bei einer Befindlichkeitsstörung durch Geruchsbelästigung von negativen Auswirkungen auf die Gesundheit auszugehen.

Bezüglich der Verunreinigung der Luft in Innenräumen existieren, anders als beim Trinkwasser, das ähnlich elementare Bedeutung für die Gesundheit hat, kaum gesetzliche Regelungen. Mangels toxikologischer Daten im Niedrigdosisbereich kann eine Bewertung der Gefährdung grundsätzlich nur unter Einbeziehung des Vorsorgeaspektes erfolgen, der anders als beim Trinkwasser, aber noch keinen Eingang in gesetzliche Regelungen gefunden hat.

Übersichtstabelle

Substanz/Substanzgruppe Vorkommen, Eigenschaften
  Schimmelpilze Feuchtigkeitsausfall aufgrund von Gebäudeundichtigkeiten, unzureichender Isolierung oder mangelhaftem Lüftungsverhalten
 Sporen Zahlreiche Allergene, können Mykotoxine enthalten, können fakultativ pathogen sein
 Zellwandbestandteile Beta-Glucane, Irritationen der Schleimhäute, immunmodulierend
 Mykotoxine Immunotoxisch, karzinogen, zellschädigend, neurotoxisch, teratogen
 MVOC Geruchsintensiv, physiologische Wirkungen sind im Gespräch
 Biozide Der Einsatz von Bioziden in Innenräumen führen i.d.R. zu langanhaltenden Belastungssituationen
  PCP Holzschutzmittel bis in die 80er Jahre, Fungizid in Latex und Leder, in D seit 1989 verboten
 Lindan Insektizid, Einsatz in Holzschutzmitteln, Holzwurmtod, Insektenbekämpfungsmitteln
 Dichlofluanid Fungizid, Ersatzstoff für PCP, bei inhalativer Aufnahme deutlich toxischer als bei oraler
 DDT Insektizid, in Deutschland 1972 verboten, nach wie vor relevant in Altbauten und Importartikeln
 Methoxychlor Insektizid, Vorkommen und Verwendung ähnlich DDT
 Dieldrin Insektizid, Importwaren aus Naturstoffen, Vorkommen wie DDT
 Hexachlorbenzol Pflanzenschutzmittel, Saatbeizmittel, Blutbelastungen sind i. d. R. nahrungsbedingt, praktisch keine Anwendung in Innenräumen
 Chlornaphthaline1 Holzschutzmittel bis frühe 70er Jahre, muffiger Geruch
 Ethylparathion (E605) Insektizid mit breitem Wirkungsspektrum, Phosphorsäureester Hemmung der Colinesterase
 Propoxur Insektizid mit Fraß und Kontaktgiftwirkung, Anwendung als Spray und in Köderdosen
 Pyrethrum Natürliches Insektizid aus Chrysantemenblüten, rel. schneller Abbau im Innenraum
 Pyrethroide Gruppe synthetischer Insektizide, die seit Begin der 80er Jahre zunehmend Einsatz findet
 Permethrin Insektizid (Mottenschutzmittel, Insektenbekämpfungsmittel), neurotoxisch
 Piperonylbutoxid Wirkungsverstärker für Pyrethroide, hemmt deren Abbau im Körper, Insektenbekämpfungsmittel
 Eulan WA neu Mottenschutzmittel, Einsatz bis 1988, dioxinähnliche Struktur
 Isothiazoline Konservierungsm. in Lacken, Klebern, Befeuchtern (Klimaanl. etc.), sensibilisierende Wirkung
 Polycyclische aromatische
 Kohlenwasserstoffe (PAK)
organische Pyrolyseprodukte, Teerprodukte wie Teerkleber (Verklebung von Bodenbelägen), Teeröle zum Holzschutz (Carbolineum), Einsatz im privaten Bereich verboten, z.T. krebserregend (K2)
 Benzo(a)pyren Indikatorsubstanz für krebserregende PAK (K2)
 Naphthalin Nicht mehr verwendetes Mottenschutzmittel, muffiger Geruch (K3)
 Dioxine Verunreinigung insbes. in PCP und PCB, Einsteht in Brandfällen, in denen Chlorprodukte wie z.B. PVC beteiligt sind, 2,3,7,8-TCDD (Seveso-D.) ist giftigster vom Menschen hergestellter Stoff
  Flammschutzmittel/ Weichmacher Flammhemmende und weichmachende Substanzen insbesondere für Kunststoffe, Lacke etc.
 Polychlorierte Biphenyle (PCB) Fugendichtmassen, Lacke, Farben, Kondensatoren, Transformatoren; Einsatz bis 80er Jahre,immuno.- und neurotoxisch, Probleme insbesondere in öffentlichen Bauten der 60er und 70er Jahre
 Phthalate Insbesondere in Weich-PVC-Produkten aber auch in Kosmetika, hormonähnliche Wirkung
 Phthalsäureanhydrid Ausgangsprodukt für Alkydharze, Phthalate, etc, sensibilisierend
 Phosphorsäureester TCEP, TCPP Insbesondere in Produkten auf PU-Basis (Schäume, Lacke), TCEP krebserregend (K2), TBEP in rutschhemmenden Fußbodenpflegemitteln
  Organozinnverbindungen  
 Dibutylzinnverbindungen (DBT) Stabilisatoren insbesondere für PVC-Produkte, immunotoxisch, hormonähnliche Wirkung
 Tributylzinnverbindungen (TBT) Fungizid (z.B. TBTO, HSM, Antifoulingfarbe) Verunreinigung in DBT- Stabilisatoren, immunotoxisch, hormonähnliche Wirkung
 Flüchtige organische Verbindungen  
 Aldehyde: Formaldehyd Formaldehydharze (Holzwerkstoffplatten, durch E1-Klassifizierung Problematik gemindert aber nicht beseitigt, säurehärtende Lacke, Formaldehydabspalter als Konservierungsmittel, atemwegsreizend, bei Störung des Metabolismus neurotoxisch
 Furfural Kork (Fußböden etc.), geruchsintensiv, reizend, krebsverdächtig (K3)
 Höhere aliphatische Aldehyde Pentanal, Hexanal, Heptanal, Leinölprodukte, Alkydharze, atemwegsreizend, geruchsintensiv
 Aliphatische Kohlenwasserstoffe Lösemittel auf Mineralölbasis, Bestandteile von Benzin und Heizöl, z.T. Hinweis auf Geruchsursachen durch Mineralölprodukte
 Isoaliphaten Synthetisches Lösemittel, praktisch geruchsfrei, nur geringe physiologische Wirkung
 Aromatische Kohlenwasserstoffe Bestandteil von Mineralölprod. Tabakrauch, ubiquitär in Außenluft, da Einsatz als Treibstoff
 Benzol in Benzin bis 5% enthalten, Indikator für KFZ-Abgase (Außenluft, Garagen), krebserregend (K1)
 Toluol, Xylole, Ethylbenzol,... Lösemittel (Lacke, Kleber), häufig Einsatz als Gemisch, i.d.R. benzolfrei
 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe Häufig Nebenprodukte bei der Herstellung von Polymeren, z.T. Zusammenhänge mit Geruchsproblemen, Kopfschmerzen, Unwohlsein
 Trimeres Isobuten Tritt in Zusammenhang mit unangenehmen Neugeruch von Syntheselatexprodukten auf
 4-Phenylcyclohexen Nebenprodukt bei der Herstellung von Produkten aus synthetischem Kautschuk (Styrol-Butadien-Kautschuk, SBR)Teppichrücken, unangenehmer Neugeruch von Syntheselatexprodukten
 Dodecen-Isomerengemisch Verwendung z.B. als Lösemittel in der Produktion von PVC, geruchsintensiv
 Terpene Bestandteile etherischer Öle, in der Regel geruchsintensiv, Lösemittel für Naturfarben
 []3-Caren Terpentinöle, Nadelholz, sensibilisierend, daher i.d.R. in Naturfarben nicht mehr enthalten
 Limonen Aus Zitrusfrüchteschalen, Lösemittel in Naturfarben, Zitrus-Duft (Reinigungsmitteln, Parfüm)
 Pinene Frisches Nadelholz, Hauptbestandteil von Terpentinölen
 Ketone Lösemittel insbesondere in Lacken
 Alkohole (einwertig) niedere: Ethanol, Propanol, Lösemittel, Kosmetikartikel (Parfüm), "Raumluftverbesserer"
  höhere: Lösemittel, als Zersetzungsprodukte von Phthalaten, Hinweis auf Feuchtigkeitseinfluß im Zusammenhang mit Geruchsproblemen
 Ester (monofunktionell) Lösemittel in Lacken und Klebern, z.T. angenehmer, fruchtiger Geruch, Parfüms und Geruchsverbesserer
 Ester und Ether mehrwertiger Alkohole (Glykolverbindungen) Lösevermittler in Lacken, Klebstoffen etc. auf Wasserbasis, aufgrund ihres höheren Siedepunktes führen sie zu deutlich langwierigeren Innenraumbelastungen als konventionelle "Lösemittel"
 Ethylengykolderivate z.T. toxische Wirkungen bei relevanten Innenraumkonzentrationen nicht auszuschließen, insbesondere bei Phenoxyethanol Zusammenhänge mit Geruchsproblemen
 Propylengykolderivate Deutlich unproblematischer als Ethylengykolderivate im Hinblick auf die physiol. Wirkungen
 Siloxane Kosmetikartikel, Lacke, insbesondere Möbellacke, keine Daten zur physiol. Wirkung
 Halogenierte Kohlenwasserstoffe Lösemittel, Entfettungsmittel, Abbeizmittel, chemische Reinigungen, wegen ihrer Toxizität heutzutage kaum noch Verwendung
 Phenol, Phenolische Verbindungen Phenolharze, Desinfektionsmittel, geruchsintensiv
 N-Methylpyrrolidon Lösemittel für schwerlösl. Stoffe: Kunststoffe, Lacke, Abbeizmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel
 Monomere Ausgangsprodukte für Polymere (Kunststoffe), bei unvollständiger Polymerisierung ausgasbare Reste im Polymer vorhanden
 Acrylate Acrylharze (Farben, Klebstoffe, Dichtmassen), sensibilisierend
 Isocyanate Polyurethan (PU)-Harze (Farben, Klebstoffe, Dichtmassen), sensibilisierend
 Styrol Aromatischer Kohlenwasserstoff, Polystyrolharze ("Styropor"), Klebstoffe, neurotoxisch, geruchsintensiv
 Fasern und Partikel2  
 Asbest festgebunden Dachplatten, Fassadenelemente, Bodenplatten (Floor-Flex) solange Material unbeschädigt i.d.R. keine oder nur geringfügige Faserfreisetzung
 Asbest weichgebunden Spritzasbest insbes. in öffentlichen Gebäuden zum Brandschutz, hohe Faserfreisetzung
  Künstliche Mineralfasern Dämmstoffe (Mineralfasern, Glasfasern), ältere Materialien krebserregend, gelangen aufgrund von Undichtigkeiten aus Wand-/ Deckenaufbau in die Raumluft
  Magic Dust / Fogging / Schwarzstaub3/ 4 Schwarze, schmierige Beläge, die sich insbesondere nach Renovierungen zu Begin der Heizperiode an gegenüber der vorbeiströmenden Raumluft kälteren Wandoberflächen bilden. Die Ursachen lassen sich nicht in jedem Fall abschließend klären
 Anorganische Gase5  
 Kohlendioxid Menschliche Atmung, Indikator für verbrauchte Luft
 Kohlenmonoxid Tabakrauch, fehlerhafte oder schlecht ziehende Öfen u. Gasherde, Problem insbes. in KFZ-Innenräumen
 Stickoxide (NOx) Tabakrauch, fehlerhafte oder schlecht ziehende Öfen, Gasherde, Außenluft (Hausbrand)
 Ozon Sommersmog (Straßenverkehr), Kopierer, Höhensonnen (UV-Leuchten), Ozonluftreiniger
 Radon Bauuntergrund regional stark unterschiedlich, z.T. mineralische Baustoffe, Lungenkanzerogen
 Schwermetalle6  
 Quecksilber Zerbrochene Fieberthermometer, Holzschutzmittel, Industriealtlasten, neurotoxisch
 Arsen Holzschutzmittel, alte Farbanstriche
 Blei Farben (Rostschutz, ältere Weißpigmente), Wasserleitungen
 Tierische Allergene  
 Hausstaubmilben insbesondere auf Raumtextilien/ Matratzen bei höherer Luftfeuchtigkeit
 Katzen Hartnäckiges Allergen, häufig Verschleppung auch in Haushalten ohne Katzen

Fussnoten:

1P. Pluschke, Luft-Schadstoffe in Innenräumen: ein Leitfaden, S. 194-217, Springer, Berlin 1996.

2G. Zwiener, Handbuch Gebäudeschadstoffe, Rudolf Müller-Verlag, Köln 1997.

3Magic Dust - Schwärzungen in Innenräumen: U. Münzenberg u. J. Thumulla: Thesen zum Phänomen Magic Dust, und L. Grün: Das Phänomen plötzlicher Staubablagerungen (Magic Dust?) - Welche Rolle spielen Heizung, Lüftung und Bauphysik, sowie P. Plieninger: Schwarzstaub: Ruß, Dreck oder Spuk?, in: Umwelt, Gebäude & Gesundheit, Hrsg. Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF), Springe-Eldagsen 2001.

4H.-J. Morriske et. al.: Neue Untersuchungsergebnisse zum Phänomen "Schwarze Wohnungen", in: Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft 61 (2001) Nr. 9

5P. Pluschke, Kohlendioxid: Leitparameter für die physiologisch bedingte Beeinträchtigung der Luftqualität in Innenräumen; Kohlenmonoxid im Haus aus Verbrennungsprozessen aller Art; Stickoxide von drinnen und draußen; Ozon aus technischen und luftchemischen Prozessen; Radon: Luftschadstoff der aus der Tiefe kommt, in: Luft-Schadstoffe in Innenräumen: ein Leitfaden, S. 521-102, 259-263, Springer, Berlin 1996.

6G. Riem: Schwermetalle im Innenraum - Nachweis und Vorkommen in Hausstaub und Materialien, Wissenschaftverlag Dr. Wigbert Maraun, Frankfurt 1994.

© AGÖF / Verfasser: Jörg Thumulla / AnBUS / Internet: www.anbus.de,
Stand: Juli 2003